Auch mehr als 70 Jahre nach Kriegsende befinden sich in der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor zahlreiche Kampfmittel im Untergrund. Diese stellen bei Bodeneingriffen ein erhebliches Risiko für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit (insbesondere Leben und Gesundheit, Freiheit, Vermögen der Einzelnen) oder öffentlichen Ordnung dar. Wie aktuell die Problematik ist, hat sich erst kürzlich wieder im Nachgang eines am Standort Hannover bearbeiteten Projektes zur Kampfmittelvorerkundung im Raum Nienburg gezeigt.
Im Rahmen der Auswertung historischer Luftbilder aus der Zeit des zweiten Weltkriegs wurden innerhalb und im unmittelbaren Umfeld der Projektfläche zahlreiche Sprengbombentrichter erfasst. Die entsprechenden Bilder wurden seinerzeit durch die alliierten Luftstreitkräfte zu Aufklärungszwecken angefertigt. Sie dienten primär der Identifizierung potentieller Angriffsziele sowie der Erfolgskontrolle im Nachgang von Bombardierungen.
Bei der digitalen stereoskopischen Luftbildauswertung wurde neben den deutlich sichtbaren Sprengbombentrichtern durch unsere erfahrenen Experten auch ein einzelner Blindgängerverdachtspunkt identifiziert.
Neben den Kriegsluftbildern wurden im Zuge der Projektbearbeitung ergänzend zahlreiche Schriftquellen (u.a. Primärquellen der alliierten Streitkräfte mit Ladungslisten etc.) ausgewertet. Auf dieser Grundlage wurde eine Chronik der Luftangriffe für den entsprechenden Standort erarbeitet. Aus dem Abgleich der vorliegenden Luftbilder mit den Angriffsdaten konnte abgeleitet werden, dass die im Luftbild sichtbaren Kriegseinwirkungen auf einen Angriff vom 05.08.1944 auf das nahe gelegene Tanklager Schäferhof zurückzuführen sind. Bei diesem Angriffen wurde von 175 Flugzeugen der 8. USAAF eine Bombenlast von insgesamt ca. 600 t abgeworfen.
Im Ergebnis der Begutachtung wurde empfohlen, die entsprechenden Verdachtsbereiche im Vorfeld von Bodeneingriffen mittels geophysikalischer Sondierungen zu untersuchen. Im Rahmen dieser Sondierungsarbeiten wurde am 21.12.2022 in etwa 2 Metern Tiefe ein 500 kg schwerer Blindgänger detektiert und anschließend geborgen. Die Bombe war mit einem konventionellen Aufschlagzünder versehen, der von Spezialisten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Niedersachsen entfernt werden konnte.