Auch mehr als 70 Jahre nach Kriegsende befinden sich in der Bundesrepublik Deutschland nach wie vor zahlreiche Kampfmittel im Untergrund. Diese stellen bei Bodeneingriffen ein erhebliches Risiko für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit (insbesondere Leben und Gesundheit, Freiheit, Vermögen der Einzelnen) oder öffentlichen Ordnung dar.
Neben unterschiedlichen Arten von Schriftquellen sind insbesondere historische Luftbilder, die von alliierten Aufklärungseinheiten angefertigt wurden, ein wesentliches Medium zur Rekonstruktion und räumlichen Eingrenzung potenziell kampfmittelbelasteter Bereiche.
Luftbilder wurden üblicherweise im Vorfeld von Angriffen zur Aufklärung möglicher Ziele angefertigt, aber auch während oder im Nachgang von Bombardierungen zur „Erfolgskontrolle“. In den Baufachlichen Richtlinien Kampfmittelräumung (BFR KMR) werden Luftbilder als „objektive „Zeitzeugen“ einer Region zum Zeitpunkt der Aufnahme“ bezeichnet.
Sie zeigen neben den Auswirkungen alliierter Bombardierungen weitere potenziell kampfmittelrelevante Objekte und Strukturen wie beispielsweise verschiedene Arten von Stellungen (Deckungslöcher, Schützengräben, Flakstellungen etc.), militärisch genutzte Einrichtungen und Areale (Flugplätze, Schießbahnen, Kasernen, Übungsplätze) oder auch natürliche Hohlformen, in denen möglicherweise Kampfmittel verbracht wurden.
Die Interpretation historischer Luftbilder wird nicht nur durch mangelhafte Bildqualität und/oder Bildfehler erschwert; auch der Versuch, die gegnerischen Luftaufklärung durch Tarnmaßnahmen in die Irre zu führen, stellt für heutige Auswerter eine Herausforderung dar.
Die Maßnahmen der damaligen Tarnungen und Täuschungen waren sehr vielseitig und dienten unterschiedlichen Zwecken.
Neben dem Verbergen von Objekten dienten Maßnahmen der Tarnung und Täuschung v.a. dazu, die Identifizierung von Objekten (z. B. Flugzeug- oder Schiffstypen) zu erschweren, die Zielerfassung bei Bombardierungen zu verhindern sowie die Existenz ziviler oder militärischer Objekte, Anlagen und Einrichtungen vorzutäuschen.
Lässt sich das Verbergen kleinerer Anlagen durch die Verwendung von z. B. Tarnnetzen und Astwerk oder Bemalungen noch relativ einfach bewerkstelligen, so waren entsprechende Vorhaben bei größeren Objekten oder Anlagen mit immensen Herausforderungen verbunden. In dem Bewusstsein, größere Anlagen nicht komplett verbergen zu können, konzentrierte man sich somit häufig darauf, diesen ein anderes Erscheinungsbild zu geben, um deren Identifizierung zu erschweren.
Die Veränderung des Erscheinungsbildes war eine verbreitete Maßnahme zur Erschwerung der Zielfindung bei Bombardierungen. Während des Zielanfluges orientierten sich die Navigatoren i.d.R. an markanten Landmarken und baulichen Strukturen (z.B. augenfällige Gebäudestrukturen, Plätze, Gewässer). Durch optische Veränderungen dieser Strukturen erschwerte man die Navigation, wodurch die entsprechenden Angriffsziele nur verzögert oder bestenfalls gar nicht erkannt werden konnten.
Ein weiteres Mittel der Täuschung war die Errichtung oder Installation von Attrappen. Dabei konnte es sich um Einzelobjekte wie z. B. Flugzeugattrappen oder Flak-Stellungen, aber auch um großflächige Scheinanlagen (z. B. Öltanks oder Fabriken) handeln. Durch solche Attrappen sollten Truppenpräsenz oder potenzielle Ziele vorgetäuscht werden. Täuschungs- und Tarnmaßnahmen sind für einen erfahrenen Luftbildauswerter im Rahmen der stereoskopischen Auswertung und im Zuge der multitemporalen Bildbetrachtung meist gut zu erkennen. Sie bergen bei fehlender Erfahrung oder unzureichender Luftbildgrundlage jedoch die Gefahr grundlegender Fehlinterpretationen, die im ungünstigsten Fall in eine entsprechend fehlerhafte Bewertung des Kampfmittelverdachts münden kann.